Zinssenkung: EZB „plündert Ersparnisse“

staaliche-unterstuetzung

03.06.2014 | Christian Höller  (Die Presse)  | Wien. Der erste Donnerstag im Juni dürfte in die europäische Finanzgeschichte eingehen: Beobachter gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins von derzeit 0,25 Prozent auf ein historisches Tief von 0,15 Prozent oder 0,1 Prozent senken wird. Österreichs Vertreter im EZB-Rat ist Nationalbank-Chef Ewald Nowotny. So niedrige Zinsen sind nicht nur für Sparer eine Katastrophe. Auch die Banken laufen dagegen Sturm.

Gewarnt wird vor einer neuen Blase auf den Finanzmärkten.

Foto: Guenter Hamich / pixelio

Foto: Guenter Hamich / pixelio

In einer gemeinsamen Erklärung haben sich in Deutschland die Chefs der Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie der Versicherungen vehement gegen eine weitere Zinssenkung ausgesprochen. „Die Medizin würde keine Wirkung zeigen. Die Risken und Nebenwirkungen wären dagegen umso größer“, warnen die Banker. Die Niedrigzinspolitik beschädige nicht nur die private Altersvorsorge, „sie fördert Kapitalfehlleitungen, bepreist Risken falsch und schafft gravierende Stabilitätsgefahren“.

Ein ähnlicher Aufruf kommt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Das Institut wird von Verbänden und Unternehmen der privaten Wirtschaft finanziert. Die EZB-Zinssenkung „plündert die Ersparnisse aus, sie bedroht die Lebensversicherung“, heißt es in einem IW-Gastkommentar, der am Dienstag in der „Bild“-Zeitung veröffentlicht wurde. Gewarnt wird auch vor einer neuen Blase auf den Finanzmärkten. Viele Aktienindizes (wie der deutsche DAX) sind zuletzt auf neue Höchststände gestiegen.

Sparer verlieren Milliarden

Mit den niedrigen Zinsen will die EZB die Wirtschaft in Südosteuropa ankurbeln. Sie hilft damit auch den hoch verschuldeten Staaten beim Abbau der Schuldenberge. Zum Handkuss kommen aber Inhaber von Sparbüchern und Lebensversicherungen. Berücksichtigt man die Inflationsrate und die Kapitalertragsteuer ist Sparen ein Verlustgeschäft. Schätzungen zufolge verlieren Österreichs Sparer derzeit pro Jahr 3,5 Milliarden Euro. Diese Situation verschlimmert sich, wenn am Donnerstag die Zinsen erneut gesenkt werden. Erste-Bank-Österreich-Chef Thomas Uher sprach zuletzt von einer „Enteignung der Sparer“.

Laut dem Bankenrechner der Arbeiterkammer liegt der Zinssatz für täglich fällige Sparbücher bei vielen Großbanken (wie Bank Austria, Erste Group) bei 0,125 Prozent, manche Institute zahlen sogar nur 0,05 Prozent. Wer höhere Zinsen haben will, muss zu kleineren Spezialbanken gehen.

So bieten die Renault Bank und die Santander Consumer Bank für täglich fälliges Geld 1,4 Prozent pro Jahr. Die niedrigen Zinsen drücken auch auf die Gewinne der Banken und Versicherungen. Laut Nationalbank war 2013 die Gesamtprofitabilität der österreichischen Banken erstmals negativ. Als Gründe nennt die Nationalbank die Niedrigzinsphase sowie Sonderfaktoren (Abschreibungen auf Töchter in Osteuropa und Milliardenverlust bei der Hypo Alpe Adria).

Banken suchen nach Auswegen

Faktum ist, dass die meisten Banken mit Sparbüchern kaum noch Geld verdienen. Um trotzdem Profite zu erzielen, haben die Finanzinstitute folgende Möglichkeiten: Sie spekulieren verstärkt auf den Aktien- und Finanzmärkten, was aber hoch riskant sein kann. Oder sie setzen auf Kredite. Zwar sinken auch die Kreditzinsen, doch die Banken verdienen hier an den Bearbeitungsgebühren. Allerdings ist die Nachfrage nach Krediten in Europa gesunken. Als Ausweg verkaufen viele Banken ihren Kunden nicht nur Sparbücher, sondern auch riskantere Finanzprodukte. Denn hier verdienen die Institute mehr. Bei einem Aktienfonds wird ein Ausgabeaufschlag von bis zu fünf Prozent verrechnet.

Die Bank Austria hat beispielsweise die „Komfort Invest Fonds“ lanciert. Es gibt auch ein Produkt für „all jene mit eher geringer Risikobereitschaft“. Die Erste Bank und die Sparkassen bieten neuerdings „You Invest“ an – dabei handelt es sich um Dachfonds mit verschiedene Risikostrategien.

Quelle: „Die Presse“, Print-Ausgabe, 04.06.2014

< Zurück auf: Startseite | Weiter mit: News >